Was ist Beteiligung?
Stufenmodell
Digitale Beteiligung kann in unterschiedlichen Intensitätsstufen erfolgen. Diese basieren häufig auf Standards, welche der Öffentlichkeitsbeteiligung abgeleitet werden können. Die erste Stufe stellt dabei eine Informationsebene dar, bei der zunächst nur eine rein informative Partizipation stattfindet. Dies kann über Newsletter, Websites oder auch Sitzungsübertragungen erfolgen. Die nächste Stufe bildet die Konsultation. Hierbei kann eine Stellungnahme seitens der Betroffenen und sonstigen Bürger:innen erfolgen. Generell geht es dabei häufig um einen Austausch und eine wechselseitige Kommunikation zwischen Planer:innen und Bürger:innen. Digital kann dies durch Diskussionsforen, Bürger:innen-Panels oder Chats erfolgen. Die letzte Stufe bildet die höchste Beteiligungsintensität und setzt sich zusammen aus Kooperation und Mitentscheidung. Die kooperative Öffentlichkeitsbeteiligung, bspw. durch interaktive Planungen, ermöglicht das aktive Mitbestimmen und Mitgestalten des Planungsprozess und führt abschließend zur Mitentscheidung durch Methoden wie dem E-Voting oder auch Online-Umfragen. Das Mitentscheiden stellt dabei die höchste Stufe dar, da die Bürger:innen die Macht bekommen, durch intensive Kommunikation mit Entscheidungstragenden über die finale Entscheidung mitzubestimmen (vgl. Leitner 2018: S.18 ff.).
Stufenmodell (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bonitz et al. 2018: 123)
Ebenen der Beteiligung
Bei der Klassifikation nach Ebenen der Beteiligung geht es um den zunehmenden Grad der Einbindung von Bürger:innen in kollektive Planungsprozesse. Arnstein unterschied diese 1969 erstmalig auf der „Leiter der Beteiligung“ in die drei Stufen „Keine Partizipation“, „Alibi-Partizipation“ und „Partzipation“ (Vgl. Arnstein 1969: 217).
Das ursprüngliche Modell wurde vielfach weitergeführt und bearbeitet, unter anderem entstand das Modell der Partizipationspyramide, welche nicht nur die institutionell-professionelle Perspektive berücksichtigt, sondern auch die Perspektive der Bürger:innen. Das Modell der Partizipationspyramide verdeutlicht in sieben Stufen das Spektrum der Partizipation, zwischen Minimalbeteiligung und Entscheidungsmacht. Je höher eine Stufe, umso größer der Einfluss, den Bürger:innen auf eine Entscheidung nehmen können. Das Modell unterscheidet dabei echte Partizipation von diversen Vorstufen. Entscheiden ist, ob die Beteiligung von Bürger:innen relevante Auswirkungen auf Entscheidungen hat. Die zentrale Frage lautet daher: Wie werden Entscheidungen getroffen? Mit oder ohne die Bürger:innen? (Vgl. Straßburger 2019: 15)
Die untersten drei Ebenen sind die Vorstufen der Partizipation und stehen für Formen der Mitsprache, bei denen das Recht auf Mitbestimmung fehlt – also „Beteiligung light“. Die Ebenen 4 bis 7 sind Stufen der Partizipation, auf denen echte Beteiligung stattfindet. Die linke Seite der Pyramide zeigt die Perspektive von Professionellen im Partizipationsprozess, die rechte die Sicht der Bürger:innen. Eine Besonderheit ist die halbe Pyramidenspitze. Denn Partizipation auf dieser Ebene findet in bürgerschaftlicher Eigenregie statt. Deshalb gibt es nur auf der rechten Seite eine siebte Stufe (Vgl. Straßburger 2019: 15)
Aus dem Modell der „Partizipationspyramide“ und der „Leiter der Beteiligung“ können vereinfacht die drei Beteiligungsebenen „Information“, „Beteiligung“ und „Kooperation“ abgeleitet werden. Die unterste Ebene der Beteiligung „Information“ besteht aus einer einseitigen Dialogform, bei welcher Bürger:innen nur über Planungen informiert werde. Die mittlere Stufe „Beteiligung“ bezieht die Bürger:innen in Form eines kooperativen Dialogs aktiv in den Entscheidungsprozess mit ein, dennoch liegt die Entscheidungsmacht bei den Planungsinitiator:innen. Die höchste Stufe „Kooperation“ begünstigt die aktive Mitwirkung der Bürger:innen an Entscheidungen und fördert die Abgabe von Entscheidungskompetenzen.
Partizipationspyramide (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Straßburger 2019)
Akteur:innen der Beteiligung
Viele Beteiligungsprozesse laufen nach einem individuellen Muster ab. Dabei variiert ebenso die Anzahl der verschiedenen Akteure. Oftmals sind neben den Planer:innen und Bürger:innen auch einzelne Betriebe, Vereine und Initiativen, Investoren, die Kommunalpolitik sowie die Kommunalverwaltung mit in den Planungsprozess und somit in die Beteiligung involviert. Hierbei kann zwischen aktiver und passiver Öffentlichkeit unterschieden werden. Die aktive Öffentlichkeit setzt sich auch den „üblichen Aktivbürgern“ zusammen und besteht zu einem Großteil aus einer gut ausgebildeten männlichen Mittelschicht. Die passive Öffentlichkeit hingegen besteht vor allem aus Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Personen aus einkommensschwächeren Haushalten (vgl. Steckel 2008: S.10). Kinder und Jugendliche sind ebenfalls nur selten in Beteiligungsprozessen vertreten. Hier besteht jedoch die Chance, diese durch Formen der digitalen Beteiligung zu erreichen und zu motivieren. Generell sind Personen mit höherer Schulbildung jedoch überdurchschnittlich politisch interessiert und somit eher motiviert aktiv an Entscheidungsprozessen teilzunehmen.
Positive und negative Effekte für Planer:innen
Positive Effekte für Planer:innen zeichnen sich besonders dadurch aus, dass die Wissensbasis über Ortsgegebenheiten und Probleme mithilfe einer Einbindung der Bürger:innen in den Planungsprozess erweitert werden kann (vgl. Hilpert 2011: 32 f; vgl. Hildebrand 2017: 203). Dies führt vor allem zu einer verbesserten und stärker nutzungsorientierteren Planung, da so Probleme angesprochen und diskutiert sowie in den Planungsprozess mit eingebunden werden können (vgl. ebd.: 203). Somit können Werte und Präferenzen der Bürger:innen abgebildet und als Grundlage in wichtige Planungsentscheidungen mit einfließen (vgl. Hilpert 2011: 33). Bei der digitalen Beteiligung besteht außerdem das Potential der Erreichbarkeit (vgl. Leitner 2018: 3). Hierdurch können vor allem junge Menschen durch Social-Media-Kanäle erreicht werden. Außerdem werden Informationsfluss und Kommunikation bei der digitalen Beteiligung vereinfacht (vgl. Schoßböck et al. 2018: 17f). Präsenzveranstaltungen haben zudem oft nur eine begrenzte Teilnehmerzahl – die digitale Beteiligung kann diese Begrenzung jedoch aufheben (vgl. Leitner 2018: 3).
Negative Effekte können durch einen erhöhten Aufwand des Planungsprozesses entstehen, beispielsweise wegen der notwendigen Organisation einer Bürger:innenbeteiligung. Dies kann zu Verzögerungen im Planungsprozess führen sowie zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung (Dopfer 2005: 33f). Außerdem besteht die Gefahr, dass sich nur die „üblichen Verdächtigen“ beteiligen und somit nicht alle Interessensgruppen repräsentiert werden können (vgl. Vetter 2017: 416). Oftmals zeigt sich auch Skepsis in Bezug auf die Kompetenz und Motivation der Bürger:innen im Beteiligungsprozess (vgl. Wilker 2019: 306).
Positive und negative Effekte für Bürger:innen
Bei den positiven Effekten für Bürger:innen spielen vor allem die vier Faktoren der Akzeptanz eine wichtige Rolle: die Einsicht in die Notwendigkeit eines Vorhabens, ein wahrgenommener persönlicher Nutzen, die erlebte Selbstwirksamkeit durch die Einbindung in den Planungsprozess und eine emotionale Identifikation (Hildebrand et al., 2018). Durch das Einbringen eigener Vorschläge können die Bürger:innen ihre Umwelt mitgestalten (vgl. Hilpert 2011: 34). Das Einbeziehen von Bürger:innen in den Planungsprozess ist ein Zeichen von Transparenz und führt zu einer erhöhten Verfahrensfairness (vgl. Hildebrand et al. 2018: 196). Durch eine wirksame und gut strukturierte Beteiligung fühlen sich die Bürger:innen mit ihren Vorschlägen und Kritik ernst genommen (vgl. ebd.: 203). Ein weiterer positiver Effekt stellt das Empowerment dar, bei welchem Schwachen und Benachteiligten eine Stimme gegeben wird (vgl. Lietzmann 2014: 97). Hierdurch soll das Vertrauen und die Kompetenz verbessert werden, um den eigenen Standpunkt selbstbewusst äußern zu können (vgl. ebd.: 97).
Die negativen Effekte für Bürger:innen sind sehr vielfältig und resultieren oft aus fehlgeschlagener Kommunikation (vgl. Wilker: 307). Bürger:innen fühlen sich oft nicht ernst genommen, es entstehen Enttäuschung und Frustration, wenn Entscheidungen und Ideen ignoriert werden (vgl. Wilker: 306f). Zudem sollte beachtet werden, dass Bürger:innen keine einheitliche Gruppe darstellen, sondern dass unterschiedliche Interessengruppen vertreten sind (vgl. Hilpert 2011: 23). Oftmals ist auch das sogenannte „Beteiligungsparadox“ zu beobachten (vgl. Hildebrand et al. 2018: 205). Hierbei findet die Möglichkeit zur Beteiligung oft nur auf den übergeordneten Planungsebenen statt, welche jedoch noch nicht richtig greifbar für die Bürger:innen sind (vgl. ebd.: 205). Daraus resultiert, dass sich die Bürger:innen noch nicht von dem Projekt betroffen fühlen und ihre Einflussmöglichkeit nicht wahrnehmen (vgl. ebd.: 205). Sobald die Planung in die Realität umgesetzt wird, ist nur noch eine geringe Einflussnahme möglich, was zu einem erhöhten Konfliktpotential führt (vgl. ebd.: 205). Die Möglichkeit sich zu beteiligen, wird zudem häufiger von Bevölkerungsgruppen mit höherem Einkommen und Bildungsgrad wahrgenommen (vgl. Masser et al. 2013: 88). Hierbei kommt es zur sozialen Verzerrung und Exklusion anderer Bevölkerungsgruppen (ebd.: 88).
Für die digitale Beteiligung stellt das Ausschließen von Menschen ohne Internetzugang oder ohne ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich IT ein Problem dar (vgl. Masser et al. 2013: 84). Hiervon sind häufig ältere Bevölkerungsgruppen betroffen (vgl. ebd.: 84). Barrierefreiheit von Internetseiten sowie Datenschutz und Datensicherheit können ebenfalls Probleme verursachen (vgl. Masser et al.: 2013: 7 ff). Ein weiterer negativer Effekt von digitaler Beteiligung kann die Verbreitung von falschen Fakten oder überspitzten Darstellungen sein, welche ein verzerrtes Bild der Planung zur Folge haben (vgl. Wienhöfer et al. 2002: 36).
Quellen:
Benighaus, Christina (Hrsg.) (2016): Bürgerbeteiligung. Konzepte und Lösungswege für die Praxis.
Bonitz, A., Leitner, M., Rinnerbauer, B., Schoßböck, J., Terbu, O., Vogl, S., & Zehetbauer, S. (2018). Technologien für digitale Bürgerbeteiligungsverfahren. In: Leitner, M., (Hrsg.) Digitale Bürgerbeteiligung Forschung und Praxis – Chancen und Herausforderungen der elektronischen Partizipation. Springer Vieweg, Wiesbaden, 99 – 125.
Dopfer, J. (2005). Handbuch für internetgestütze Bürgerbeteiligung: Ergebnisse und Anregungen aus dem Praxiseinsatz der electronic-Public-Participation-Plattform (ePP-17 Plattform). (sofia-Studien zur interdisziplinären Institutionenanalyse, 05-3). Darmstadt: Hochschule Darmstadt, FB Gesellschaftswissenschaften und Soziale Arbeit, Sonderforschungsgruppe Institutionenanalyse (sofia).
Hildebrand, J., Rau, I., & Schweizer-Ries, P. (2018). Akzeptanz und Beteiligung – ein ungleiches Paar. In: Holstenkamp, L., & Radtke, J. (Hrsg.). Handbuch Energiewende und Partizipation. Springer VS, Wiesbaden. 195 – 209.
Hilpert, J. (2011). Nutzen und Risiken öffentlicher Großprojekte: Bürgerbeteiligung als Voraussetzung für eine größere gesellschaftliche Akzeptanz. Stuttgarter Beiträge zur Risiko- und Nachhaltigkeitsforschung, Nr. 15, Universität Stuttgart.
Leitner, M. (2018). Millionen BürgerInnen sind im Internet erreichbar. In: Leitner, M., (Hrsg.) Digitale Bürgerbeteiligung Forschung und Praxis – Chancen und Herausforderungen der elektronischen Partizipation. Springer Vieweg, Wiesbaden, 1 – 9.
Lietzmann, H. J., (2014). Repräsentation und Bürgerbeteiligung: Planungszellen als Teil einer „neuen Gewaltenteilung“? In: Dienel, H. L., Franzl, K., Fuhrmann, R. D., Lietzmann, H. J., & Vergne, A. (Hrsg.). Die Qualität von Bürgerbeteiligungsverfahren. Evaluation und Sicherung von Standards am Beispiel von Planungszellen und Bürgergutachten. Oekom-Verlag, München, 87 – 101.
Masser, K., Pistoia, A., & Nitzsche, P. (2013). Bürgerbeteiligung und Web 2.0: Potentiale und Risiken webgestützter Bürgerhaushalte. Springer VS, Wiesbaden.
Schoßböck, J., Rinnerbauer, B., & Parycek, P. (2018). Digitale Bürgerbeteiligung und Elektronische Demokratie. In: Leitner, M., (Hrsg.) Digitale Bürgerbeteiligung Forschung und Praxis – Chancen und Herausforderungen der elektronischen Partizipation. Springer Vieweg, Wiesbaden, 11 – 40.
Steckel, N. (2008). Bürgerbeteiligung in benachteiligten Stadtteilen Eine Analyse ausgewählter Quartiere des Landesförderungsprogramms „Soziale Stadt NRW“. Ruhr-Universität, Bochum.
Straßburger, Gaby (Hrsg.) (2019): Partizipation kompakt. Für Studium, Lehre und Praxis sozialer Berufe.
Wienhöfer, E., Kastenholz, H. G., & Geyer, T. (2002). Bürgerbeteiligung im Internet? Möglichkeiten und Grenzen elektronischer Demokratie – Bürgergutachten. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Nr. 207.
Wilker, N. (2019). Online-Bürgerbeteiligung und politische Repräsentation: Rollen und Einstellungen kommunaler Mandatsträger in der digitalen Demokratie. Springer VS, Wiesbaden.