Digitale Beteiligungstools
Die Palette an digitalen (Beteiligungs)-Tools ist breit. Im Folgenden soll ein überblick der verschiedenen Anwendungsbereiche aufgeführt werden und exemplarisch auf einige digitale Tools eingegangen werden.
| Whiteboards
DEEKIT; Mural; Stormboard; Miro
Einsatzmöglichkeiten
// skalierbares Whiteboard für die Kollaboration verteilter Teams; Interaktives Arbeiten & Präsentieren; Workshops; simultanes arbeiten in Kleingruppen;
Chancen
// schnelles Brainstorming als auch strategisches Projektmanagement & Planung möglich
Risiken
// „Miro-Bombing“; möglicherweise ungeeignet für einige Beteiligungsmethoden
Kosten
// Free Version; Team (10$/Monat); Business (16$/Monat); Enterprise (Kundenspezifischer Preis)
Anwendungsanforderungen
// einfacher Einstieg
Teilnehmeranzahl
// Unbegrenzte Anzahl von Gast-Viewern; Performanceprobleme steigen mit hoher Anzahl an Editoren
Hardware
// Geräteübergreifend nutzbar; Hardwareanforderungen gering
| Videokonferenzen
Google Meet; Skype; Wonder; Whereby; Zoom
Einsatzmöglichkeiten
// Online-Videokonferenzen; Informationsveranstaltungen online durchführen; Diskussionen führen
Chancen
// Über Breakoutrooms in Kleingruppen Themen besprechen im Stil eines Worldcafés/ Bürgerwerkstatt
Risiken
// „Zoom-Bombing“; möglicherweise ungeeignet für einige Beteiligungsmethoden
Kosten
// Kostenfrei: Limit von 40 Minuten; 13,99 Euro/Monat: unbegrenzt meeten
Anwendungsanforderungen
// einfacher Einstieg; kein Zoom-Account nötig, um an Meetings teilzunehmen
Teilnehmeranzahl
// 100 bis 1000 Teilnehmende (je nach Version)
Hardware
// Geräteübergreifend nutzbar; Hardwareanforderungen gering; Perfomance äußerst stabil
| Kommunikation
Microsoft Team; Discord; Slack
Einsatzmöglichkeiten
// Instant-Messaging-Dienst zur Kommunikation innerhalb von Arbeitsgruppen; kollaboratives Arbeiten
Chancen
// Weitere Tools können in Slack integriert werden (Miro, Doodle, Zoom, etc.)
Risiken
// Durch geschlossene Channels kann der Diskussionsverlauf unübersichtlich werden
Kosten
// Kostenfrei; Pro (6,25 €/Monat); Business+ (11,75 €/Monat); Enterprise Grid (spezifisch)
Anwendungsanforderungen
// einfacher Einstieg
Teilnehmeranzahl
// unbegrenzt, aber maximal 5 GB Speicherplatz für den kostenlosen Workspace
Hardware
// Geräteübergreifend nutzbar; Hardwareanforderungen gering
| Interaktion
Stormz; Kahoot!; Axis; Slido; MeetButter; Mentimeter
Einsatzmöglichkeiten
// Publikumsorientierte und interaktive Präsentationssoftware für Workshops, Meetings und ähnliche digitale als auch analoge Präsentationsformen
Chancen
// höhere Aktivierung der Teilnehmenden; Meinungen und Einschätzungen auch in größeren Gruppen leicht abzubilden; Adaptiv, abwechslungsreich und vielfältig
Risiken
// verzehrte Meinungsbilder durch willkürliche Antworten
Kosten
// Kostenfreie, eingeschränkte Version; Vollversion (8$/Monat)
Anwendungsanforderungen
// einfacher Einstieg
Teilnehmeranzahl
// unbegrenzte Anzahl an abstimmenden Teilnehmern
Hardware
// Geräteübergreifend nutzbar; Hardwareanforderungen gering
| Umfragen
Google Forms; Typeform; SurveyMonkey
| Weitere Tools
Mapping-Tools
//Aktuelle Meinungstrends einfangen; sehr viele Menschen einbinden; räumliche Verortung niedrigschwellig und vielfältig sowie kreativ einsetzbar; Ideenfindung bei Planungsprozessen; Nutzen des lokalen Wissens
Wettbewerbs-Tools
// Direktes Kommentieren und Bewerten von Entwürfen durch Bürger:innen; Anregungen fließen mit in den Entscheidungsprozess der Jury ein; Einbindung der Bürgerschaft in Wettbewerbsverfahren
Beteiligungsportale
Online-Beteiligungsportale dienen als zentrale Anlaufstelle für Projekte im digitalen Raum. Städte und Kommunen bietet sich dadurch die Chance Projekte und Beteiligungsangebote auf einem Portal einheitlich darzustellen und den Bürger:innen möglichst unkompliziert und einfach Information zu Projekten und Partizipationsangeboten bereitzustellen.
Eine Online-Beteiligungsplattform sollte von Anfang an eingerichtet sein. Sie sollte Ziele, Prozess, Inhalte und Ergebnisse transparent, aktuell und einfach abbilden. So wird eine Bewusstseinsbildung für die Anliegen und Forderungen der verschiedenen Interessenlagen und für gesamtstädtische Zusammenhänge gefördert. Zudem dienen Beteiligungsportale für Projekte als zentrale Informations-, Kommunikations-, und Beteiligungsplattform. Daher braucht es eine übersichtliche, einladende und einfache Gestaltung, um den Einstieg zu erleichtern. Die Informations- und Mitwirkungsmöglichkeiten müssen auf Anhieb zu verstehen und schnell zu bedienen sein. Außerdem müssen Abläufe der Beteiligungsangebote, Umgangsregeln und Partizipationsmöglichkeiten deutlich und durchsichtig erklärt werden.
Aktuell geltende Datenschutzrichtlinien müssen erfüllt sein und nach jeder Beteiligungsphase müssen die Ergebnisse und Zwischenschritte dokumentiert und zugänglich gemacht werden. Rückmeldungen und Rechenschaft sollten ebenfalls auf der Plattform einsehbar sein. Die Redaktion der Beteiligungsplattform sollte alle Informationen stets aktualisieren: News, Zwischenberichte, Abschlussberichte, Newsletter, etc. Vor allem kontroverse und intensiv diskutierte Online-Phasen sollten stets durch eine gut geschulte Moderationsteam betreut werden. Nach Abschluss der Beteiligung muss die Online-Plattform weiterhin einsehbar bleiben oder zumindest für eine ausreichende Zeit nach der Bürgerbeteiligung aktiv bleiben.
Für Teilnehmende kann es unter anderem folgende Möglichkeiten und Aspekte auf Beteiligungsplattformen zu finden geben:
// Sammlung von Ideen, Anregungen, Vorschlägen und Anliegen
// Frage-Antwort-Dialoge zu aktuellen Projekten und Themen
// Interaktive Karten zur ortbezogenen Erhebung von Eingaben
// Online-Abstimmungen und Bewertungen
// Online-Befragungen oder Kurzumfragen zur Messung eines Stimmungsbildes
// Kommentierung von Projekttexten und Ideen
// Sammlung von Projektideen
// Moderierte Online-Dialoge zur Diskussion von Vorhaben und Maßnahmen
// Feedbackfunktionen zur Evaluierung von Gedanken
// Spielerisches Online-Quiz‘ zur Vermittlung von Projektansätzen und Ideen
Beispiele für Beteiligungsportale sind „MeinBerlin“ (Berlin), „DIPAS“ (Hamburg), „MitDenken“ (München) und „Beteiligungsportale Baden-Württemberg“ (Bundesland Baden-Württemberg). Auf der Bundesebene gibt es zurzeit kein zentrales Beteiligungsportal.
Social Media und deren Chancen und Risiken im Beteiligungsverfahren
Was ist Social Media?
“Online-Kommunikationskanäle wie Wikis, Blogs und Microblogging-Dienste, Social Sharing-Seiten und Soziale Online-Netzwerke können unter dem Begriff Social Media zusammengefasst werden” (Theile 2018, S. 42).
“Social Media is a group of Internet-based applications that build on the ideological and technological foundations of Web 2.0, and that allow the creating and exchange of User Generated Content” (Kaplan/Haenlein 2010, S. 61).
Dazu zählen Blogs und Mikro-Blogs wie Twitter, soziale Netzwerke wie Facebook und Content Communities wie Youtube. Jedoch bietet Social Media nicht nur eine Plattform, sondern verteilt auch Inhalte und macht diese zugänglich. Dang-Anh et al. (2013) prangern an, "dass mit dieser Definition der Social Media-Plattformen deren Funktion als Distributor der nutzergenerierten Inhalte verschleiert werde, und damit ihre Rolle als Verteiler, Verfügbarmacher und teilweise auch als Verhinderer oder Zensor; die Definition fokussiere zu stark [...] darauf was Nutzer mit den Angeboten machen können, aber nicht was die Anwendung an sich macht.“ (vgl. Theile 2018, S. 42).
| Chancen
Für mehr Transparenz - offene Prozesse
Digitale Werkzeuge können den gesamten Beteiligungsprozess abbilden. Sie können die Informationen zentral zur Verfügung stellen und alle Prozesse nachvollziehbar abbilden, angefangen von der Ideensammlung über die Abstimmung bis hin zur tatsächlichen Umsetzung der Ergebnisse. Auf diese Weise schaffen sie einen durchgängigen Überblick, auch für diejenigen, die nicht am Prozess beteiligt sind, sich aber dennoch für ihn begeistern. Die Einsicht und Übersicht verschaffen Verständnis und Vertrauen für die Prozesse und Abläufe von Politik und Verwaltung (vgl. jugend.beteiligen Team 2021, 19. Januar).
Für mehr Beteiligung - unabhängig von Ort und Zeit
Es kostet Zeit und Energie, sich eine gut begründete Meinung zu bilden, sie mit anderen zu diskutieren und am Ende darüber abzustimmen. Nicht alle haben die Möglichkeit oder auch nur den Wunsch, sich zu einer festen Zeit an einem festen Ort, manchmal weit weg, zu treffen. Digitale Tools können eine wichtige Hilfe für Beteiligungsprojekte sein. Sie können Informationen oder methodische Empfehlungen liefern, wie die Menschen die Themen in einer Gruppe oder alleine angehen können. Außerdem ist es mit Hilfe digitaler Medien auch einfacher, Hintergrundinformation zum Thema des Beteiligungsprozesses in die Diskussion einzubringen. So kann mehr "Fachwissen" in die Diskussion eingebracht werden, was verhindert, dass Jugendliche über Dinge diskutieren, die z. B. aus finanziellen oder strukturellen Gründen nicht machbar sind. Dadurch ist es weniger wahrscheinlich, dass die Jugendlichen hinterher enttäuscht oder nicht zufrieden sind, wenn ihre Beteiligung keine Auswirkungen hat (vgl. Hilker, C 2021, 12. Mai).
Für politisches Engagement
Durch die Teilnahme an den Partizipationsprojekten lernen die Teilnehmer, dass sie etwas bewirken und verändern können - sie werden zu Beteiligten. Sie erlernen, dass es Spaß machen kann, sich politisch zu engagieren und etwas zu verändern. Das kann sie motivieren, sich auch in anderen, traditionellen Formaten über ihr lokales Umfeld hinaus politisch zu engagieren. Sollen junge Menschen erreicht werden, die bisher wenig Kontakt zu Politik und politischen Themen hatten und mit diesen zunächst wenig vertraut sind, ist eine besonders schwache Form der Beteiligung notwendig. Digitale Medien und Tools können hier eine besondere Rolle spielen, denn sie bieten jungen Menschen die Gelegenheit, sich leichter und von jedem Ort aus an der Gestaltung ihres Lebensraums zu beteiligen. Sie können von zu Hause und vor dem Computer sitzend ihre Meinungen und Ideen einbringen, ohne sich in eine für sie ungewohnte Situation begeben zu müssen (vgl. Reichel, M 2021).
| Risiken
Geringe Beteiligung wegen schwachen technischen Kenntnissen
Die Nutzung der digitalen Angebote ist an die Erfüllung bestimmter Nutzungsvoraussetzungen gebunden. Die Interessenten benötigen ein gewisses Mindestmaß an technischen Kenntnissen und einen Internetzugang. Wie die Phänomene Homeoffice und Homeschooling in den letzten Monaten bewiesen haben, besteht bei digitalen Angeboten die Gefahr, dass sich Personen mit geringem Bildungsniveau und Einkommen distanzieren. Statistische Auswertungen zeigen, dass ältere Menschen und Bürger mit Migrationshintergrund deutlich weniger bereit sind, digitale Angebote zu nutzen als z. B. jüngere Zielgruppen und Menschen mit höherem Bildungshintergrund (vgl. kukis Blogteam 2021, 28. Januar).
Missbrauch von Identitätsgebung
Die genaue Erkennung von Nutzern im Internet ist schwierig, da nicht unbedingt der reale Name verwendet werden muss. Grundsätzlich ist es aber möglich, sich in sozialen Netzwerken mit einem frei erfundenen Namen anzumelden und unter diesem Namen zu handeln. Unzufriedene Bürger:innen der Stadt könnten diese Funktion missbrauchen und ein soziales Netzwerk der Stadt nutzen, um beleidigende Inhalte und politische Parolen zu verteilen (vgl. Andreas Wieczorek 2014, S. 28.)
Fake News / Missinformation
Fake News werden gern und oft zu dem Zweck eingesetzt, Meinungen zu beeinflussen. Es ist zwar nicht wahrscheinlich, dass jemand durch Fake News seine Meinung komplett ändert. Bereits existierende Meinungen können aber durch das Lesen von Fake News bestätigt werden. So wird es immer schwerer, die Menschen dazu zu bringen über, ihre Weltanschauung nachzudenken. Bürger:innen, die Fake News lesen und vorher noch keine bestimmte Meinung zu einem Thema hatten, können durch falsche Informationen in beispielsweise Facebookgruppen beeinflusst werden. Fake News zu verbreiten ist gefährlich, da man damit Lügen und falsche Informationen teilt. Wenn eine Nachricht Gerüchte über eine Person oder eine Gruppe enthält und viele Menschen sie weiterverbreiten, kann das schlimme Folgen haben. Wenn andere Leute die Nachricht lesen, den Gerüchten glauben und schlecht über die Person oder Gruppe denken, kann es dazu führen, dass sie anfangen die Personen zu beschimpfen oder sie zu verfolgen (vgl. Quarks 2019, 4 Februar).
I Fazit
Die Nutzung der sozialen Medien bietet eine Chance der Beteiligung, die großteils barrierefrei stattfinden kann und für einen breiten Teil der Gesellschaft zugänglich ist. Trotzdem gibt es beachtenswerte Risiken, wodurch man sich bis dato nicht vollends auf die Beteiligung durch soziale Medien verlassen kann und die Nutzung eines Hybridmodells zwischen analoger und digitaler Beteiligung sinnvoll ist.
Quellen:
Fachbereich Erwachsenenbildung und Familienbildung (2020): Analoge Bildungsformate im digitalen Raum – Ideen für eine sinnvolle Umsetzung https://erwachsenenbildung-ekhn.blog/analoge-bildungsformate-im-digitalen-raum-ideen-fuer-eine-sinnvolle-umsetzung/ [abgerufen am 28.05.2021]
Hoffmann, Sarah G.; Dr. Kiehne, Björn; Berliner Zentrum für Hochschullehre (o.D.): Ideen für die Hochschullehre. Ein Methodenreader. http://methodenbox.bzhl.tu-berlin.de/#!/details/Fishbowl
[abgerufen am 28.05.2021]
Nanz, Patrizia; Fritsche, Miriam (2012). Handbuch Bürgerbeteiligung. www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/ Handbuch_Buergerbeteiligung.pdf.
[abgerufen am 28.05.2021]
Nexus Institut für Kooperationsmanagement und Interdisziplinäre Forschung GmbH (o.J.): Methodenhandbuch zur Durchführung von Beteiligungsverfahren im Bezirk Berlin-Mitte. Berlin: Bezirksamt Mitte von Berlin.
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin (2020): Partizipation & Pandemie. Handreichung zu kontaktlosen Beteiligungsmethoden https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/leitlinien- buergerbeteiligung/download/Handreichung_Partizipation_und_Pandemie.pdf
[abgerufen am 28.05.2021]
Theile, S. (2018). Social Media, Chancen und Herausforderungen für die räumliche Planung und Mitwirkung. Kassel.Kaplan, A. M., & Haenlein, M. (2010). Users of the world, unite! The challenges and opportunities of Social Media. Business Horizons (1)2010, Jg. 53, S. 59-68.
ugend.beteiligen Team, (2021, 19. Januar). jugend.beteiligen.jetzt, Gute Gründe online abrufbar unter: https://jugend.beteiligen.jetzt/digitale-partizipation/gute-gruende
Hilker, C (2021, 12. Mai). Social Media: Chancen, Risiken und Anwendungsbereiche. Digital-Marketing: Strategie-Beratung + Agentur + Online Kurse: Hilker Consulting. online abrufbar unter: https://www.hilker-consulting.de/social-media-marketing/social-media-chancen-risiken
Reichel, M 2021. Mehr Partizipation durch das Internet? Soziale Medien im Wahlkampf. Landesportal Sachsen-Anhalt. online abrufbar unter: https://lpb.sachsen-anhalt.de/online-angebote/campuspublikmehr-partizipation-durch-das-internet-soziale-medien-im-wahlkampf
kuk-is Blogteam, (2021, 28. Januar). Online-Beteiligungsverfahren für aktive Bürgerkommunikaton, k+k information services GmbH, online abrufbar unter: https://www.kuk-is.de/blog-artikel/vor-und-nachteile-digitaler-buergerbeteiligung.htm
Andreas Wieczorek, 2014 , Die Entwicklung eines Handlungsleitfadens für eine kommunale Social Media, S. 2
Quarks. (2019, 4. Februar). Wie sehr beeinussen „Fake News“ unsere politische Meinung? quarks.de. online abrufbar unter: https://www.quarks.de/gesellschaft/wie-sehr-beeinussen-fake-news-unsere-politische-meinung
https://www.zebralog.de/blog/buergerbeteiligung-online-demokratie-reloaded (31.05.2021)