Beteiligungsmethoden & -werkzeuge
Strukturelle Unterschiede - analoge und digitale Beteiligungsmethoden
Der wohl offensichtlichste Unterschied liegt darin, dass analoge Beteiligungen alsPräsenzveranstaltungen durchgeführt werden, wohingegen sich digitale Beteiligungen im digitalen Raum abspielen. Insofern werden alle Kommentare und Beiträge in Schriftform abgegeben, was auch den Vorteil der besseren Reflexionsmöglichkeit mit sich bringen kann. Dies begünstigt aber auch diejenigen, die die textbasierte Kommunikation beherrschen (vgl. Patrizia Nanz, Miriam Fritsche, 2012: S. 89-90).
Zudem kann es im Digitalen schwieriger werden, einen Draht zu allen Teilnehmer*innen herzustellen, da das persönliche Kennenlernen von Planer*innen und Bürger*innen sowie auch zwischen den Bürger*innen fehlt. So können zudem der Austausch und die Diskussion untereinander gehemmt werden (vgl. Patrizia Nanz, Miriam Fritsche, 2012: S. 120).
Während man die Präsenzmethoden klar in eintägige, mehrtägige, mehrwöchige, mehrmonatige oder mehrjährige Verfahren untergliedern kann, lässt sich bei Online-Verfahren die Dauer nur schlecht zuordnen, da kaum präsenzgebundene Veranstaltungen oder sonstige Standards existieren. Im Allgemeinen lässt sich jedoch sagen, dass Online-Verfahren im Schnitt länger dauern, da sie selten nur auf einen Tag ausgelegt sind - eine Online-Plattform sollte mindestens mehrtägig erreichbar sein (vgl. Patrizia Nanz, Miriam Fritsche, 2012: S. 109-110).
Auch in Bezug auf die Teilnehmer*innen kann ein Online-Verfahren im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen nicht zugeordnet werden, da es auf keine räumlichen Rahmensetzung beruht. Generell ist eine Online-Beteiligung nicht an eine bestimmte Teilnehmer*innenzahl geknüpft. Hier gilt dann das Prinzip der Selbstselektion. Zudem wird es möglich, dass Bürger*innen keine zeitliche Beschränkung haben, sodass oftmals eine größere Anzahl an Bürger*innen beteiligt werden können (vgl. Patrizia Nanz, Miriam Fritsche, 2012: S. 113-114).
Ein großer Knackpunkt und Nachteil der Online-Beteiligung ist jedoch die Überrepräsentation bestimmter Personengruppen. So müssen Beteiligungswillige über einen Internetzugang und gewisse technische Kompetenzen verfügen – dies sind meist jüngere Menschen oder Menschen mit höherem Bildungsabschluss und Haushaltseinkommen (vgl. Patrizia Nanz, Miriam Fritsche, 2012: S. 117).
Umsetzung von Methoden in Analoge und Digitale Veranstaltung
| Beispiel: World Café
Eine klassische Beteiligungsmethode ist das sogenannte „World Café“. Diese Methode bietet für die Teilnehmenden eine zwangslose Gesprächssituation, die Meinungen, Perspektiven und Ideen zu einer bestimmten Frage bzw. einem Thema entwickeln sollen. Ein rotierendes Austauschformat, das durch die Kaffeehaus- Atmosphäre bewirkt, dass die Beteiligten offen sprechen. Gemeinsam können die Beteiligten neue Ideen und Lösungen entwickeln (vgl. Patrizia Nanz, Miriam Fritsche, 2012: S. 77-79 und Nexus Institut für Kooperationsmanagement und Interdisziplinäre Forschung GmbH, o.J.: 33-34).
Präsenzveranstaltung
Thementische werden für verschiedene Aspekte vorbereitet. Die Teilnehmenden sitzen in Kleingruppen und diskutieren eine vergebene Fragestellung. Die Ergebnisse werden für die nächsten Tischgäste dokumentiert. Nach 20-30 min. wechseln die Teilnehmenden die Tische. Die Moderierenden bleiben am Tisch sitzen. Die Ergebnisse der Vorrunde werden für die „neuen“ Gäste vorgestellt (vgl. Patrizia Nanz, Miriam Fritsche, 2012: S. 77-79 und Nexus Institut für Kooperationsmanagement und Interdisziplinäre Forschung GmbH, o.J.: 33-34).
Digitales Format
Um das World Café digital umsetzen zu können, benötigen die Veranstaltenden eine Videokonferenz-Software, die über sogenannte Breakout-Rooms verfügt. Das bedeutet, dass die Moderatoren die Teilnehmenden in kleinere Gruppen aufteilen können. Hierfür eignet sich beispielsweise die Software „Zoom.us“. Dort können die Breakout-Rooms vorbereitet werden, jedoch müssen die Teilnehmenden der Veranstaltung zu Co-Moderatoren aktiviert werden. Dadurch kann ein eigenständiger Wechsel der Breakout-Rooms ermöglicht werden. In den einzelnen Breakout-Rooms können die Moderierenden die Teilnehmenden begrüßen und weitere Schritte erklären. Mit einem weiteren externen online-Tool können die Themen bearbeitet werden. Hierfür bietet sich beispielsweise das Online-Whiteboard „Miro“ an. Auf dem externen Online-Whiteboard können im Vorfeld vom Gastgeber Vorbereitungen getroffen werden (Fachbereich Erwachsenenbildung und Familienbildung, 2020).
| Beispiel: Zukunftswerkstatt
Die Beteiligungsmethode Zukunftswerkstatt beruht auf den Prinzipien Freiwilligkeit, Kreativität, Ergebnisoffenheit und Selbststeuerung. Die Beteiligten entwickeln in kreativer Atmosphäre Lösungen für ein Thema oder Problem. Die Zukunftswerkstatt aktiviert die Kreativität der Teilnehmenden und zeigt neue Perspektiven auf. Die Ergebnisse der Methode können Handlungsideen zu einem Thema oder Problem sein. Die Zukunftswerkstatt kann beispielswiese in Leitbildentwicklung, Stadtteilentwicklung oder Planung von Zukunftsvorhaben eingesetzt werden. Außerdem kann die Methode für klare Ziele und Vorstellungen in Beteiligungsprozessen eingesetzt werden.
Die Zukunftswerkstatt gliedert sich in drei Hauptphasen. Die Kritikphase ist zur Analyse der aktuellen Situation sowie Erfassung der Probleme da. In der Phantasiephase werden Ideen entwickelt; diese können zunächst durchaus utopisch sein. In der Realisierungsphase werden die Vorschläge strukturiert, die Umsetzbarkeit geprüft und das weitere Vorgehen abgesprochen. Diese Beteiligungsmethode ist gut kombinierbar mit weiteren Methoden, wie beispielsweise „Ideensammlung“ oder „Umfrage“ (vgl. Patrizia Nanz, Miriam Fritsche, 2012: S. 81-83 und Nexus Institut für Kooperationsmanagement und Interdisziplinäre Forschung GmbH, o.J.: 35).
Präsenzveranstaltung
Für die Umsetzung der Zukunftswerkstatt benötigen die Veranstaltende einen hellen, störungsfreieren Raum in ausreichender Größe. Zum Erarbeiten der Lösungen können Pinnwände, Flip-Charts, Whiteboards hilfreich sein. Beamer, Notebook, Kamera, Stifte, Scheren sowie Papier können Hilfsmittel zur Bearbeitung für die Teilnehmenden sein.
Digitales Format
Die digitale Umsetzung einer Zukunftswerkstatt benötigt eine Videokonferenz-Software. Um Kleingruppen bilden zu können, ist eine Software, die über Breakout-Rooms verfügt sinnvoll. Mit weiteren externen online-Tools kann die Bearbeitung erfolgen und Ergebnisse festgehalten werden.
| Beispiel: Fishbowl Diskussion
Bei der herkömmlichen, analogen Art der Fishbowl-Diskussion werden gewisse Rollen an die Teilnehmer:innen verteilt, welche dann den „Innenkreis“ bilden. Dieser Innenkreis an Teilnehmer:innen diskutiert über spezifische Themen und wird währenddessen vom „Außenkreis“ beobachtet. Die Teilnehmer:innen im Innenkreis werden "Diskutant:innen" und die Teilnehmer:innen im Außenkreis werden "Beobachter:innen" genannt. Im Analogen läuft das dann auf Stühlen ab – Diskutant:innen sitzen hierbei in einem Stuhlkreis und die Beobachter:innen sitzen/stehen außerhalb und hören zu. Es könnte im inneren Kreis ein Stuhl frei bleiben, welcher von Beobachter:innen besetzt werden kann, um diese an der Diskussion teilhaben zu lassen. Im Stuhlkreis wird auch eine Moderation Platz finden (vgl. Sarah G. Hoffmann, Dr. Björn Kiehne, o.D.).
Digitales Format
Alle Teilnehmer:innen sind per Videokonferenz verbunden. Den Teilnehmer:innen im Innenkreis (ca. 3-6 Personen) wird dann die Audiofunktion freigeschaltet – der Außenkreis bleibt stummer Beobachter, es sei denn es gibt eine Meldefunktion und somit einen „freien Stuhl“, um in die Diskussion einspringen zu können. In der Regel dauert die Diskussionsrunde dann 5 bis 15 Minuten und es können – wenn möglich – mehrere Thematiken direkt an einem Termin diskutiert werden. Anschließend können die Beobachter*innen Fragen und Anmerkungen zur vergangenen Diskussion einbringen. Die gesamte Diskussion wird von einer Moderation unterstützt und notiert. Das Treffen sollte maximal 60 bis 90 Minuten dauern und man wird eine Reflektion über verschiedene Standpunkte bekommen (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin, 2020: S. 15).
Ein Problem könnte sich ergeben, wenn Teilnehmer:innen nicht genügend technische Erfahrungen mitbringen oder keinen Zugang zu Internet haben. Außerdem wird eine erfahrene Moderation notwendig sein (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin, 2020: S. 15).
Präsenzveranstaltungen versus digital (eigene Darstellung)
Aufbau und Werkzeuge der Methode Zukunftswerkstatt (eigene Darstellung)
Struktur Fishbowl Diskussion (eigene Darstellung)
Quellen:
Fachbereich Erwachsenenbildung und Familienbildung (2020): Analoge Bildungsformate im digitalen Raum – Ideen für eine sinnvolle Umsetzung https://erwachsenenbildung-ekhn.blog/analoge-bildungsformate-im-digitalen-raum-ideen-fuer-eine-sinnvolle-umsetzung/ [abgerufen am 28.05.2021]
Hoffmann, Sarah G.; Dr. Kiehne, Björn; Berliner Zentrum für Hochschullehre (o.D.): Ideen für die Hochschullehre. Ein Methodenreader. http://methodenbox.bzhl.tu-berlin.de/#!/details/Fishbowl
[abgerufen am 28.05.2021]
Nanz, Patrizia; Fritsche, Miriam (2012). Handbuch Bürgerbeteiligung. www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/ Handbuch_Buergerbeteiligung.pdf.
[abgerufen am 28.05.2021]
Nexus Institut für Kooperationsmanagement und Interdisziplinäre Forschung GmbH (o.J.): Methodenhandbuch zur Durchführung von Beteiligungsverfahren im Bezirk Berlin-Mitte. Berlin: Bezirksamt Mitte von Berlin.
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin (2020): Partizipation & Pandemie. Handreichung zu kontaktlosen Beteiligungsmethoden https://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/leitlinien- buergerbeteiligung/download/Handreichung_Partizipation_und_Pandemie.pdf
[abgerufen am 28.05.2021]